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Der Samstag
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Anschauungsunterricht vor dem großen
Spiel
Die Nacht war so kurz wie die
Bettdecken breit waren. Wie sich später herausstellen sollte, waren wir im sogenannten Gay
Village untergebracht. Die Tatsache, daß es nur eine Bettdecke pro Doppelbett gab, hatte
damit angeblich nichts zu tun. Auf dem reichlich ausgestatteten Frühstücksbuffet entdeckte
man durchaus exotische Sachen, zum Beispiel schwarze Blutwurst-Taler mit Knoblauchsoße und
ähnliche Köstlichkeiten.
Das zweite, weit verbreitete
Vorurteil über England lautet: Das Wetter ist eh' immer schlecht und es regnet
dauernd.
(Album Hotel und City)
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Deshalb sammelte man sich, bestens
ausgestattet mit Regenschutzkleidung, die extra in einer Sonderschicht bei der Firma Gore
schnell noch gefertigt wurde, zum Abmarsch in Richtung Bahnhof Victoria
Station.
Auf dem Plan stand der Besuch
eines Premier League-Spiels. Mit Manchester United und Manchester City hat es aus
terminlichen Gründen leider nicht gepasst, so daß wir in die nahe gelegene Provinz
ausweichen mussten.
Alleine die Fahrt schon mit dem
Bummelzug nach Wigan (über Bolton) war ein Erlebnis. Wigan ist ein kleines Städtchen das
ca. 35 km im Nordwesten von Manchester liegt.
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(Album Wigan)
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Dadurch daß Howie selbst nach
mehrfacher Erkundigung Schwierigkeiten hatte den Weg zum Stadion zu finden, haben wir eine
Menge von dem Ort gesehen. Es lag wohl nicht an dem Slang, den sie hier sprechen, sondern
vielmehr daran, dass sich die Wigans, wie sich auch später im Stadion herausstellte, gar
nicht so sehr für Fußball interessieren.
Langsam kriegten wir wieder
Hunger. Die langen Märsche forderten ihren Tribut. Zum Glück waren auf dem Stadiongelände
vorzügliche "Event Catering Service" - Standl an jedem Eck zu finden. Die Angebote, die es
da gab, wären allerdings selbst für einen Gerichtsmediziner schwer identifizierbar gewesen
- dafür aber günstig.
Einige drängte es in ein Pub, um
das Fußballspiel Arsenal - ManU zu verfolgen. Allerdings war das eine Bude mit lauter
Chelsea-Fans und nur einem Fernseher, auf dem nicht mal das Spiel übertragen
wurde. So bevorzugten wir erstmal das gepflegte Schnellrestaurant
"Frankie & Benny's" (Name rein zufällig)
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Aber aufgeben wollten wir noch nicht was Fußballschauen anging. Wir machten uns
also weiter auf den Weg und nach weiteren freundlichen Passantenhinweisen und kurzem
Verdauungsspaziergang erreichten wir, am Rande einer Siedlung auf grüner Wiese liegend, ein
Gebäude, das aus der Jahrhundertwende stammen musste. Beim Schätzen um welche Jahrhunderte
es sich handeln sollte, waren wir uns allerdings nicht einig. Die Türsteher jedenfalls,
machten einen freundlichen Eindruck und ließen uns ohne Probleme passieren. Möglicherweise
hat es sich auch nur um Raucher gehandelt. Einige von ihnen wären aufgrund ihrer Zahnlücken
locker in der Lage gewesen, drei Zigaretten gleichzeitig zu bedienen.
Im Inneren staunten wir nicht schlecht. Mehrere Räume waren mit allerfeinster
Fernsehtechnik ausgerüstet.
So erlebten wir die zweite Halbzeit in gediegener Atmosphäre und sahen noch ein
packendes Match (Arsenal - ManU 2:2) bevor wir uns dann zum Live-Spiel ins Stadion
aufmachten.
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Mit unseren gelben Jacken wurden wir zunächst als Chelsea-Fans angefeindet. Den
Irrtum konnten wir aber aufklären und mit den Fans im Nacken haben wir brav für die
Underdogs aus Wigan gebrüllt. Es hat aber nichts geholfen.
Wigan Athletic - FC Chelsea
0:2
(Album Wigan-Chelsea)
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Faszinierend empfand man, wie jede
gelungene Einzelaktion, vom Zweikampf bis hin zum erfolgreichen Einwurf, lautstark
honoriert wurde. Erwähnenswert auch wie die Zuschauer ihrer Heimmannschaft nach der
Niederlage stehend applaudierten -
eben doch ein fußballbegeistertes Volk.
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Manchester Night Life
Die Rückfahrt mussten wir dann
teilweise im Stehen durchhalten, weil das aufgebrezelte Landvolk sich zahlreich auf den
Weg in die große Stadt machte - erste Indizien, daß da irgend was los sein
musste.
Das Abendessen fand diesmal beim
Italiener, beim Griechen, oder war es doch ein Türke, statt. Jedenfalls war es eine
weitere Bestätigung dafür, dass die Engländer hervorragend ausländisch kochen
können.
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Was wir dann die
nächsten 5 bis 10 Stunden (je nach Teilnehmer unterschiedlich) so alles erlebten, hatten
wir uns in unseren kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Zur Erinnerung: Wir befanden uns im
November im Nordwesten von England. Die Außentemperaturen betrugen so zwischen 10 und 14
Grad. Die Engländer, und vor allem die Engländerinnen, hielt es nicht davon ab, so zu tun,
als wäre man irgendwo am Mittelmeer im Hochsommer. So streiften wir das
Gay Village rauf und runter und wir hatten nicht den Eindruck, dass es sich um ein solches
handelte. Möglicherweise hatten wir nicht den Blick dafür mangels Erfahrung. Jedenfalls gab
es auch ausreichend Begegnungen der anderen Art zur Entzückung aller Mitreisenden.
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Zum Auftanken und Ausruhen auf
großzügigen Sofas traf man sich in der Hotel-Lounge bevor man sich aufs Neue den
Verlockungen der nächtlichen Stadt hingab.
Gelegentlich begegnete man mal wieder einem "Yellow Jacket" oder es klopfte an das
Pub-Fenster und bekannte Feldkirchner schauten rein - unglaublich !
Ab und zu mussten wir auch hier klarstellen, daß wir keine Chelsea-Fans sind. Gelb ist wohl
die Ersatzfarbe bei den Blues.
Dazwischen gab es auch immer wieder bewegende Szenen, wo ansonsten so harte Burschen in
sich gingen und die Augen schlossen um den Moment einfach nur zu genießen, selbst direkt
neben der 1000-Watt-Box.
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(Album Samstag Abend)
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Trotz all dieser Wirrungen fand ein jeder wieder zu seinem Partner ins
Bett.
Wie bereits erwähnt: Dass es nur eine gemeinsame Bettdecke gab, hat nichts mit
der Lage des Hotels zu tun !
Auch haben wir alles gut vertragen. Sollte es dazu Ausnahmen gegeben haben, so hat das die
Straßenreinigung noch in der Nacht diskret, aber lautstark wieder in Ordnung
gebracht.
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Fazit
(frei nach Hans Albers ...wer noch niemals in lauschiger Nacht ...)
Vergesse alles, was Du über lauschige Sommerabende
an südlichen Küsten weißt, wenn Du nicht einmal im November in Manchester
warst.
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